17 Mai 2017 4 Comments
Ihr seid mir zu jung, ihr Mütter
Da sitz ich nun wieder wie jeden Tag auf dem Spielplatz, sehe dem Kind bei rumtoben zu und lausche den Gesprächen der anderen. Meist sind es stets die gleichen Mütter die hier mit mir Tag für Tag den Nachmittag verbringen. Es gibt nur diesen einen Spielplatz in unserem Dorf. Mit vielen Müttern verstehe ich mich gut, wir unterhalten uns ein wenig über die Vorschule, die Fortschritte der Kinder und dies und das. Und dann sind da noch die anderen Mütter. Die jungen Mütter. Nicht dass ich mich für alt einschätze, doch den Unterschied von 10 Jahren kann man nicht ignorieren. Sie sitzen in der anderen Ecke, starren auf ihre Handys in der Hoffnung, jemand möge sie aus der Kinderwelt herausziehen, schreien ihren Kindern etwas zu und ab und zu stehen sie auf, um am Zaun eine Zigarette zu rauchen.
Man sieht es ihnen an: Glücklich sind sie nicht. Jedenfalls sieht für mich eine glückliche Mutter anders aus. Sie kommen mir eher ein wenig überfordert, ungeduldig und unzufrieden vor. Hatten wohl andere Pläne als Jugendliche. Und dann frage ich mich wieder: Warum muss man als Mutter eigentlich jung und taufrisch sein? Immer wieder höre ich im Dorf ältere Menschen sagen, dass man zeitig mit dem Kinderkriegen anfangen muss. Je jünger desto besser. Man habe keine Zeit und ehe man sich versieht ist die Chance vertan. Da wird richtig Druck aufgebaut. Warum? Damit dann 22-Jährige gelangweilt ihre Kinder schaukeln und an die Ferne denken?
Auch bei mir in der Familie höre ich meine Schwägerinnen jammern, dass sie ja eigentlich noch so viel machen wollten, aber jetzt mit Kindern ginge das ja nicht mehr. Ok, in ihrem Falle handelt es sich um Reisen, die sie noch erleben wollten und die kann man entweder mit den Kindern machen oder später nachholen. Aber einiges kann man eben nicht nachholen.
Ich bin froh, dass ich erst mit 31 Jahren Mutter geworden bin. Ich war im Ausland, mit 18 Jahren in Israel, als Studentin in Italien. Ich bin viel gereist, habe mir die Hörner abgestoßen. Habe getrunken, habe geraucht, hatte geniale Parties…All das brauche ich jetzt nicht mehr. Ich habe alles gemacht, was ich machen wollte, bevor ich Kinder kriege. Wenn meine Samstagnacht jetzt um 22 Uhr mit einem Kräutertee endet, weil ich viel zu müde für irgendetwas bin, dann ist das nicht schlimm. Ich war schon feiern und zwar mehr als genug.
Ich wünschte auch die anderen jungen Frauen hätten sich vor dem Kinderkriegen etwas ausgetobt. Hätten sich auf in die Welt gemacht und wären nicht gleich beim ersten Man stehen geblieben. Das ist natürlich sehr allgemein ausgesprochen und sicher gibt es viele junge Mütter die sehr glücklich mit ihrer Entscheidung sind. Doch genauso viele unzufriedene junge Mütter sehe ich. Unzufrieden und etwas planlos. Sie lassen sich viel hereinreden. Hören weniger auf ihr Bauchgefühl. Vielleicht, weil es noch nicht ausgereift ist?
Ich habe den Eindruck, dass ältere Mütter, damit meine ich Mütter mit Mitte Dreißig und mehr, einfach entspannter sind. Sie haben ihre Mitte gefunden und können dieses positive Lebensgefühl nun auch an ihre Kinder weitergeben. Mir hat dazu mit Mitte Zwanzig noch viel gefehlt. Ich war ja noch gar nicht fertig mit mir selber.
Heute bin ich reifer und halbwegs zufrieden mit mir. Meine Töchter stehen im Mittelpunkt und das ist gut so. Ich interessiere mich für Erziehung, lese viel, bilde mich weiter, will meinen Töchtern das Beste mit auf den Weg geben. Mit Zwanzig hätte ich nicht so gedacht. Da wäre ich egoistischer an die Sache herangegangen. Ich finde es schade, dass gerade hier noch so viel Druck auf junge Frauen ausgeübt wird. Lasst sie doch selbst entscheiden, wann für die der richtige Zeitpunkt gekommen ist.
Natürlich gibt es viele, die jung Mutter werden wollen. Die das Leben ’nachholen‘ wollen, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Auch eine gute Idee. Doch dann gibt es die, die gar nicht richtig darüber nachgedacht haben. Die einfach Mutter geworden sind, weil man das eben so macht. Die nun rauchend in ihren unbequemen Absatzschuhen am Spielplatz stehen und sich wegträumen. Schade eigentlich.
Mai 17, 2017 @ 1:55 pm
Meine Liebe, ich sehe das genauso wie Du, bin ich doch auch eine „alte“ Mutter, meine Kinder kamen mit 33 und fast 38 Jahren. Ausserdem bin ich eine Deutsche im Ausland wie Du und ich denke, wir erleben oft ähnliche Situationen, in denen wir unsere deutsche Denk-und Herangehensweise in uns drin haben. Allerdings urteilst Du vielleicht ein wenig schnell. Du gehst davon aus, dass es besser ist, sich vorher ausgelebt zu haben, bevor man Kinder bekommt, weil man einfach ausgeglichener ist. Viel zu lesen, sich zu informieren etc. Aber vielleicht ist es auch ganz gut, Kinder zu bekommen, wenn man noch nicht gross drüber nachgedacht hat? Ist man dann eine „schlechtere“ Mutter? Das Urteilen nach Äusserlichkeiten ohne die/den Menschen wirklich zu kennen, ist gefährlich. Die heute noch existierenden Indianervölker bekommen ihre Kinder auch jung und lesen keine Bücher. Sind sie deshalb weniger gute Mütter?
Mai 17, 2017 @ 5:44 pm
Ich weiß ja nicht, ob sie gute Mütter sind. Sie sind hier in unserem Dorf nur eben weniger zufriedene Mütter. Die Naturvölker sind ja in dem Sinne mit sich im Reinen, denn sie kennen ja nichts anderes. Aber hier sehe ich die Mädels, und da wir auf dem Dorf leben kenne ich sie ja auch, und sie scheinen es manchmal zu bereuen.
Sie wollen leben wie früher und können nicht. So kommt ws mir jedenfalls vor.
ganz liebe Grüße
Mai 17, 2017 @ 4:07 pm
Hm? Ich glaube nicht, dass es DAS perfekte Alter gibt, um zum ersten Mal Mutter zu werden. Das ist doch ziemlich individuell und von vielen Faktoren abhängig. Ob eine Frau nun früh oder spät oder im gesellschaftlich akzeptierten Durchschnittsalter Mutter wird, hat meines Erachtens wenig mit ihren elterlichen Qualitäten zu tun. Ich bin zwar nicht blutjung, aber doch eher jung (mit 25) zum ersten Mal Mutter geworden und finde, auch nach mittlerweile 14 Jahren „im Business“, das war das Beste, was mir und meinem Mann (der damals auch 25 war) passieren konnte. Wir sind vor der Geburt unserer Tochter alleine und gemeinsam viel gereist und ich habe mit 18 auch schon im Ausland gelebt. Unser Leben war bunt und chaotisch. Wir haben beide noch studiert und waren die ersten Eltern in unserem Freundeskreis. Die junge Mutterschaft hat auch Vorteile. Ich war während der gesamten Schwangerschaft fit wie ein Turnschuh, die Geburt ging schnell und unkompliziert und ich habe mich danach ruck-zuck erholt. Das nächtliche Aufstehen hat weder mich noch meinen Mann sonderlich gestresst. Auch ich habe viele, viele, Bücher gelesen bevor Kind 1 auf die Welt kam und auch mir hat das nicht viel genützt ;-). Ich hatte keine klare Vorstellung, wie unser Familienleben nun ganz konkret aussehen muss und unsere Wohnung war mit zusammengewürfelten Fundstücken gemixt mit Ikea, völlig frei von Designerkunst möbiliert und das war auch gut so. Wir waren entspannte Eltern und sind auch mit Kind gereist, ob Städtetrip oder Backpacking-Tour, alles war dabei. Als Töchterlein 3 war, habe ich wieder angefangen, als Flugbegleiterin bei Lufthansa zu arbeiten und auch das ging super. Sie hat mich sogar ab und an auf längere Reisen begleitet und erinnert sich heute, mit 14 Jahren, noch immer gerne daran. Sie empfindet es übrigens als klaren Vorteil, relativ junge Eltern zu haben und sagt uns das auch immer wieder. Trotzdem glaube ich, auch wenn ich bei ihrer Geburt 30 oder 35 gewesen wäre, würde sie ihre Kindheit als glücklich empfinden. Als mein Sohn auf die Welt kam, war ich 30 und ja, das nächtliche Aufstehen war härter und die Schwangerschaftskilos blieben länger an mir haften, aber ansonsten hat er wohl mehr oder weniger das gleiche „Parenting-Package“ erwischt, wie seine Schwester. Ich spiele ja immer noch mit dem Gedanken an ein drittes Kind, dann könnte ich genau vergleichen, wie es sich anfühlt mit Mitte 20, 30 und 40 ein Kind zu bekommen :-). Sorry für den langen Kommentar! Ich wollte damit eigentlich nur sagen; ich finde es toll, dass du im für DICH richtigen Alter Mutter geworden bist. Das heißt aber nicht automatisch, dass jüngere Frauen die schlechteren Mütter sind. Im Idealfall empfinden wir unser eigenes Erlebnis als perfekt (für uns) und das ist auch gut so.
Mai 17, 2017 @ 5:40 pm
Liebe Jana! Vuelen Dank für deinen Kommentar. Siehst du, genau das habe ich ja geschrieben, dass ich da sehr verallgemeinere. Und du hast ja genau das gemacht, bist gereist, hast die Welt gesehen. Ich denke auch nicht, dass die jungen Mütter hier im Dorf schlechte Mütter sind, nur eben nicht so zufrieden mit sich und ihrem Leben.
alles Gute und liebe Grüße